Immer mehr Eigentümer und Mieter haben Bedarf für Ladeinfrastruktur in ihrer Immobilie. Insbesondere in Mehrfamilienhäusern und gemeinschaftlichen Tiefgaragen bringt dieser Bedarf erhebliche organisatorische und planerische Herausforderungen mit sich. Seit der WEG-Reform von 2020 ist es für Eigentümergemeinschaften aber viel einfacher geworden entsprechende Beschlüsse zu fassen.
Denn an Elektromobilität führt in Eigentümergemeinschaften kein Weg mehr vorbei. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland fast 400.000 Elektro-Fahrzeuge neu zugelassen. Das waren fast 4x so viele wie im Vorjahr. Diese Entwicklung bringt auch neue Herausforderungen mit sich. Elektrofahrzeuge müssen geladen werden. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) geht davon aus, dass in den nächsten Jahren ca. 85% der Ladevorgänge im privaten Umfeld und nur 15% im öffentlichen Raum stattfinden.
Die Installation geeigneter Ladeinfrastruktur gilt in vielen Fällen aber als bauliche Veränderungen im Gemeinschaftseigentum, die bisher von allen Eigentümern genehmigt (und ggf. auch finanziert) werden musste.
Da aber meist nicht alle Eigentümer gleichzeitig Interesse an Elektromobilität haben, gab es in den letzten Jahren nur wenige Eigentümergemeinschaften, die sich zum Nachrüsten durchringen konnten.
Neue Chancen für E-Mobilität dank WEG-Reform
Im Jahr 2020 ist viel Bewegung in die gesetzliche Ausgangslage gekommen.
Mit der WEG-Reform, die am 1. Dezember 2020 in Kraft getreten ist, hat nun jeder Wohnungseigentümer und Mieter einen Rechtsanspruch auf Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. (§ 20 Abs. 2 S.1 Nr. 2 WEG)
Dieser Rechtsanspruch wird unterstützt durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) sowie das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG). Das GEIG regelt im Rahmen von Neubauprojekten und großen Renovierungsprojekten Verpflichtungen zur Errichtung von Ladeinfrastruktur.
Das WEMoG regelt den grundsätzlichen Anspruch auf Installation einer Lademöglichkeit und vereinfacht die Umsetzung von privater Ladeinfrastruktur in Wohngebäuden. Zur Installation von Ladeinfrastruktur wird nicht länger die Zustimmung aller Eigentümer benötigt. Entstehende Kosten sollen von begünstigten Mietern und Eigentümern getragen werden. Mit dieser rechtlichen Ausgangslage ist das Thema E-Mobilität für WEGs viel einfacher geworden. Es gibt im Wesentlichen drei Möglichkeiten für Eigentümergemeinschaften mit dem Interesse einzelner Eigentümer an Ladeinfrastruktur umzugehen. Der Hausverwaltung kommt hier die Rolle zu, die Eigentümergemeinschaft gut strukturiert durch den Entscheidungs- und Planungsprozess zu navigieren.
Neue Möglichkeiten der Beschlussfassung
Option 1: Gestattung für einzelne Wohnungseigentümer
Gemäß dem oben bereits erwähnten Anspruch auf Installation einer Lademöglichkeit können nun auch einzelne Wohnungseigentümer auf eigene Kosten in Lademöglichkeiten investieren. Die Eigentümergemeinschaft muss das gestatten – sofern dafür nur eine „angemessene bauliche Veränderung“ durch den Eigentümer notwendig ist. Die Eigentümergemeinschaft muss dann „nur noch“ über die Durchführung der Maßnahme beschließen. Dabei beschließt die Eigentümergemeinschaft ob dem Ausbauwilligen nur die eigene Bauausführung auf eigene Kosten gestattet wird, oder ob die Gemeinschaft die Maßnahme vornimmt und die Kosten auf den Ausbauwilligen überträgt. Außerdem wird über die Art der Durchführung im Detail beschlossen. Das beinhaltet Einzelheiten bzgl. Ausgestaltung oder Auflagen in Sachen Versicherungsschutz.
Wie wirtschaftlich sinnvoll diese Option ist, hängt vor allem von den baulichen Gegebenheiten ab. In gemeinschaftlichen Tiefgaragen ist häufig der Ausbau nur einer oder weniger Ladeinfrastrukturen unverhältnismäßig teuer, während beispielsweise bei offenen Stellplätzen im Hof der Ausbau eines Stellplatzes eine sinnvolle Einzelmaßnahme sein kann.
Diese Option kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn sich in der Eigentümergemeinschaft keine Mehrheit oder größere Gruppe von Eigentümern für einen umfassenderen Ausbau findet.
Die Ausbaukosten sowie etwaige Folgekosten trägt in dieser Option der einzelne oder die einzelnen Wohnungseigentümer. Nur diese Eigentümer können die Ladeinfrastruktur auch nutzen.
Option 2: Gemeinschaftlicher WEG-Beschluss
Möchte eine Gruppe von Wohnungseigentümern auch ohne Mehrheit einen Beschluss für die Errichtung einer entsprechenden Ladeinfrastruktur fällen, kommt die „Auffangregelung“ in §21 Abs 3 WEG zum Tragen. Die Kosten (einschließlich der Folgekosten) werden dabei nur von den Eigentümern getragen, die der Maßnahme zugestimmt haben. Nur Sie können im Gegenzug auch die Ladeinfrastruktur nutzen.
In diesem Fall müssen weiterführende Regelungen getroffen werden. Festzuhalten ist dann beispielsweise wie mit Folgekosten/Betriebskosten umzugehen ist, und wie ein späterer Einstieg in Kosten und Nutzen der Infrastruktur für die anderen Eigentümer möglich und geregelt ist.
Eine gute Hausverwaltung wird die Eigentümergemeinschaft rechtssicher durch diesen Entscheidungsprozess navigieren. Wichtig ist hierbei zunächst das Abfragen des Bedarfs bei den Eigentümern. Die Beschlussfassung erfolgt dann in der Regel über mehrere Beschlüsse im Paket.
Option 3: Mehrheitlicher WEG-Beschluss
(mehr als 50% Eigentumsanteile und 2/3 der abgegebenen Stimmen)
Möchte die Mehrheit der Wohnungseigentümer eine gemeinschaftliche Ladeinfrastruktur schaffen und gemeinsam nutzen, kann sie das seit der WEG-Reform vom Dezember 2020 relativ einfach beschließen.
Stimmen mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen bei mehr als 50% der Eigentumsanteile für das Vorhaben, so sind sogar alle Eigentümer verpflichtet die Kosten zu tragen. Natürlich nur solange das Vorhaben nicht mit „unverhältnismäßigen Kosten“ verbunden ist.
Die HAVAU Hausverwaltung berät sie hierzu gerne. Die Wahl der richtigen Beschlüsse und Beschlussformulierungen entscheiden über die Geschwindigkeit. Durch gute Vorarbeit können alle Beschlüsse in einer Eigentümerversammlung gefasst werden. Wird die Beschlussfassung nicht gut vorbereitet, so können teilweise mehrere Jahre ins Land ziehen, bis final das gewählte Modell entschieden wird.
Erfolgreiche Umsetzung
Auch bei der Projektierung und der Umsetzung einer geeigneten Ladeinfrastruktur gibt es einige wichtige Erfolgsfaktoren. Zunächst die richtige Planung. Das Projekt sollte in vier Phasen erfolgen.
Bedarfsanalyse:
Zu Beginn des Projektes wird erfasst wer die potenziellen Nutzer der Infrastruktur sind und zu welchen Zeiten geladen werden soll. In dieser Phase werden Fragen geklärt wie die Anzahl der zu elektrifizierenden Stellplätze oder die gewünschte Form der Abrechnung. Neben den Wünschen der Eigentümergemeinschaft sind hier vor allem auch die Gegebenheiten relevant. Sind beispielsweise Parkplätze individuell zugeordnet, ergeben sich hieraus andere Anforderungen als bei gemeinschaftlich genutzten Stellplätzen.
Standortanalyse:
Im zweiten Schritt wird der Standort analysiert. Für diese Phase wird üblicherweise bereits ein Sachverständiger, ein Projektmanager oder ein möglicher Anbieter beauftragt oder hinzugezogen. Der Zustand des Stromnetzes, die Elektroinfrastruktur des Hauses und die Baupläne spielen in der Standortanalyse eine große Rolle. So ist zum Beispiel wichtig zu verstehen, ob der vorhandene Stromanschluss ausreichend ist, um die gewünschte Anzahl Ladevorgänge parallel durchzuführen. In dieser Phase wird außerdem festgestellt ob vorhandene Elektroinstallationen genutzt werden kann oder stark erweitert werden muss.
Auf Basis der Standortanalyse und der Bedarfsanalyse können mögliche Konzepte und Lösungen ausgewählt werden.
Auswahl passender Lösungen:
Nun können geeignete Ladelösungen ausgewählt werden. Von der einfachen Wallbox an nur einem Stellplatz bis hin zur Ladeinfrastruktur mit eigenem Netzanschluss und intelligentem Lademanagement ist alles möglich. Die entsprechenden Nutzerkonzepte mit entsprechenden Abrechnungssystemen wie App oder Ladekarte werden ebenfalls parallel mit der elektrotechnischen Lösung der Infrastruktur ausgewählt.
Bei der Auswahl der passenden Lösung muss die Eigentümergemeinschaft auch das geeignete Betriebskonzept finden. Es muss bereits jetzt geklärt sein wer sich zukünftig um Überwachung, Wartung und Abrechnung der Ladeinfrastruktur kümmert. Das kann der Anbieter der Lösung sein, der die gesamte Infrastruktur und den späteren Betrieb als Service anbietet.
Betrieb:
Eine sehr wichtige Phase bei der Planung der Ladeinfrastruktur ist der laufende Betrieb. Die Klärung des Betriebskonzepts ist bereits bei der Auswahl der Lösung unbedingt zu planen. Dauerhaft muss Überwachung, Fehlererkennung, Support und Wartung durch einen entsprechenden Anbieter beauftragt und sichergestellt sein. Außerdem muss geklärt sein, wie Eigentümer die Ladeinfrastruktur nutzen können und wie die Abrechnung des Verbrauchs erfolgt.
In der gesamten Planungsphase sollten die Eigentümer bzw. die Beiräte eng eingebunden sein. Um zukünftigen Ärger in der Eigentümergemeinschaft zu vermeiden, sollte bereits in der Projektierung über alle Phasen hinweg an die Zukunftssicherheit der Lösung gedacht werden. Selbst wenn sich zunächst nur eine Gruppe von Eigentümern für die Errichtung einer Ladeinfrastruktur entscheidet, sollte die Lösung sinnvoll erweiterbar sein und es sollten entsprechende Regelungen für den späteren Einstieg weiterer Eigentümer vereinbart werden.
Ebenfalls wichtig zu beachten sind die regulatorischen Vorgaben sowie Regelungen zu Brandschutz und Abschluss geeigneter Versicherungen.
Wird das Projekt Ladeinfrastruktur in einer WEG professionell geplant und gut vorbreitet, steht den meisten WEGs damit nun der Weg für E-Mobilität offen.
Dank der neuen Regelungen mit der WEG-Reform können viele bislang aufgeschobene Diskussion und Entscheidungen nun endlich angegangen und umgesetzt werden.
Was die HAVAU rät:
Besteht in Ihrer Eigentümergemeinschaft Interesse an Ladeinfrastruktur, so gehen Sie es an. Ihre Immobilie gewinnt dadurch an Wert und Attraktivität. Gerade für die Vermietung kann das zukünftig ein wichtiger Faktor sein.
Lassen Sie sich von unserem Team beraten. Wir von der HAVAU Hausverwaltung unterstützen Sie gerne.